JESSICA KALLAGE GÖTZE UND RAINER JACOB
Skulpturen, Fotografie, Materialzeichnungen
Kuratorin: Anabel Roque-Rodríguez
Bildhauerei bedeutet aus Material zu schaffen. Es bedeutet sich mit der Materialität auseinanderzusetzen: sowohl mit der organischen Grundsubstanz als auch mit den technischen Umsetzungen. Gerade die letzten beiden Punkte spielen für die Künstler Jessica Kallage-Goetze und Rainer Jacob eine wesentliche Rolle. Beide arbeiten immer wieder mit ephemeren Materialien wie Eis. Am Ende bleibt nur die Erinnerung von der Arbeit bestehen, aber bis die Arbeit vergeht, zeigt sie uns eine Transformation in Zeit. Diese Metamorphose des Materials kommt fast einer Performance gleich, wenngleich der Körper unbelebt ist und nur durch das Material geschaffen wird. In Rainer Jacobs Eisplastiken in Form von Radiatoren oder Pissoirs schwebt die Idee von Duchamp der Inszenierung durch radikale Reduktion. Wie stark kann man Material an die Grenzen bringen? Wie viel Material braucht es noch, um eine Arbeit zu haben?
Auch Jessica Kallage-Goetze arbeitet an den Grenzen, um den Kern in ihren Arbeiten zu finden. Ihre Skulpturen, Mal in Eis, Mal in Wachs, bringen ihren eigenen Körper an die Grenzen bei der Entstehung der Werke. Bildhauerei bedeutet Körperlichkeit: Werke müssen geschaffen, transportiert und schliesslich verlangen die Arbeiten aus unterschiedlichen Perspektiven begangen zu werden. Skulpturen, Plastiken und Reliefs sind räumliche Gebilde: sie sind Raum und schöpfen Raum. Sie verlangen eine Veränderung in der Haltung des Betrachters und gehen damit zum Kern in der Kultur: dem aktiven Betrachter.
Beide Künstler teilen aber nicht nur ein Interesse an Material, inhaltlich finden sich immer wieder Arbeiten, die sich mit der Transformation von Natur und Technik auseinandersetzen. Bei Jessica Kallage-Goetze findet sich in der Ausstellung eine Arbeit aus kompliziert erstelltem Stuckmarmor in dem Schaltkreise und ein Herz zu sehen sind. Rainer Jakob zeigt eine Arbeit aus rotem Marmor ein Gebilde, halb Bob, halb Tier. Das Anthropozän kommt an die Grenzen. Wieviel Spannung erträgt unsere Zukunft auf der Erde, bis sie sich entladen muss?
Die Transformation des Materials und die Metamorphose, die damit einhergeht lädt die Arbeiten beider Künstler politisch auf. Die Arbeiten sind unterschiedlich, erscheinen manchmal sogar gegensätzlich und doch verbinden sie interessante Überlappungen bei der Liebe zu zeitlosem Handwerk, dem Interesse für Technik und Zukunftsvisionen und auch die Auseinandersetzung mit einer Haltung zum Leben. Die Ausstellung lädt ein über Spannungen nachzudenken und eine Sprache dafür zu entwickeln, Mal poetisch, Mal subtiler, und in dem Zwischen-Raum der Reibung, die eigene Perspektive zu betrachten. Es ist ein starkes Motiv in einer Zeit, in der Spannungen sich in unterschiedlichen Lebensbereichen aufbauen.
Text: Anabel Roque Rodríguez